Words on the Word
Weihetag des Laacher Münsters
Zur Einleitung
Wir feiern heute eine Weihe, die vor fast neun Jahrhunderten stattfand, für uns aber gegenwärtig bleibt. Unsere Feier spricht von der bleibenden Kraft des Segens; auch von der bleibenden Kraft der monastischen Berufung. Denn diese Kirche ist kein irgendwelches Gotteshaus, sondern eine Klosterkirche. Heute früh las ich in einem Buch von Ildefons Herwegen, Abt von Maria Laach 1913-46, Folgendes: “Der heilige Benedikt weist den abendländischen Geist hin auf das ewig sich gleichbleibende Göttliche, das letzte Ziel aller geschaffenen Geister, wie die Würde des Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit bewahrt werden kann und lehrt zugleich, wie der Bau des Gesellschaft hier auf Erden aufzurichten ist”. Wichtige Worte!
Predigt
1 Könige 8:22-23, 27-30: Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde?
1 Petrus 2:4-9: Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.
Lukas 19:1-10: Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.
Die Weihe einer Kirche gehört zu den beeindruckendsten Zeremonien des römischen Ritus, geprägt von sinnlichen, archaischen Zeichen: Weihrauch und Feuer, Wasser und Öl. Dieser Münster wurde in der Amtszeit von Abt Fulbert geweiht, im Jahre 1156. Das 12. Jahrhundert sah ein wunderbares Aufblühen benediktinischen Lebens. Petrus Venerabilis von Cluny, dieser liebenswürdige Mönch, starb im Jahr der Laacher Kirchweihe; sein Freund Bernhard von Clairvaux lag schon drei Jahre unter der Erde, während sich das zisterziensische Projekt durch Europa weiterverbreitete.
Googelt man heute “Fulbert von Maria Laach” findet man eigentlich nur Auskünfte über den Stollen unten im Laacher See mit dem Fulbert genial den Wasserspiegel stabilisierte — zweifelsohne eine bedeutende Errungenschaft. Das Porträt oben in der alten Abtei zeigt aber ein wahreres Bild, ich bin mir sicher: weißhaarig und asketisch steht Fulbert, geistesumstrahlt, mit der Abteikirche in den Händen, als ob er diese dem Herrn anböte als Opfer des Lobes, Frucht der menschlichen Arbeit und der göttlichen Inspiration. In dieser ehrwürdigen Klosterkirche haben unsere Vorfahren im Glauben, Pilger sowohl als Mönche, jahrhundertelang ihr Bestes und Edelstes geleistet, betend, singend, flehend, ob mit Tränen säend oder mit Jubel erntend. Fette und magre Jahre hat die Mönchsgemeinschaft von Maria Laach gekannt durch ihre lange Geschichte. Es hat Epochen gegeben in denen der corpus monasterii, der Klosterkörper, klinisch tot schien; der Geist aber wehte beharrlich und unauffällig, nach seiner Gewohnheit. Binnen dieser Wände, wo einst das Jakobswort gesprochen wurde, “Haus Gottes und Tor des Himmels!”, ist immer wieder das göttliche Lob neu erklungen. Die Kirche hat in Dürrezeiten einfach gewartet. Vergessen wir nie welche Kraft eine Weihe verschafft als verborgene Potenz, sei es die Weihe eines Gebäudes, sei es die unserer Person.
Das Verhältnis zwischen heiligen Häusern und dem Ruf zur Heiligkeit kommt in unseren Lesungen zum Ausdruck. Die Weihe des Tempels in Jerusalem, zu der mit salomonischem Exzess 22,000 Rinder und 120,000 Schafe geschlachtet wurden, hatte einen einzigen Zweck: dass der Herr seinem Volk gegenwärtig bliebe indem es versuchte dem Weg der Gebote zu folgen. Das Weihegebet Salomos gipfelt in dem Satz: “Achte auf das Flehen deines Volkes, höre sie und verzeih!” Ein geweihter Tempel besteht damit der Betende dort die Sicherheit hat, gehört zu werden. Überall kann man beten, selbstverständlich; aber Gott will es so, dass sich seine Gegenwart an besonderen Stellen verkörpert. Im geweihten Tempel achtet Gott auf uns. Achten wir zureichend auf ihn?
Jesu Begegnung mit Zachäus ist, bei Lukas, das letzte Geschehnis vor dem Einkehr in Jerusalem, wo der Herr seine Liebe bis zur Vollendung erweisen wird. Sein Ruf, “Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein”, ist dringend. Das Müssen ist im Munde Jesu meistens ein göttliches Imperativ; es hat mit seiner Heilsaufgabe zu tun. Es ist ihm nicht gleichgültig ob wir uns ihm öffnen oder nicht. Er “muss” es versuchen, uns heimzusuchen, drängt sich aber nicht auf, so gross is sein erstaunlicher Respekt vor unserer Freiheit, die die Gottähnlichkeit des Menschen bezeugt. Zachäus hätte nein sagen können; tut es aber nicht. Er stellt sein Leben zur Verfügung. So wird in seinem Haus Heil geschenkt. Im Tempel werden Menschen geheiligt durch geweihte Dinge. In Jericho wird ein Haus geweiht durch die Heiligung eines Menschen. Die zwei Prozesse sind untrennbar, denn Heiligkeit vermittelt sich und hinterlässt leuchtende Spure.
Bei einer Kirchweihe werden zuerst das Altar, dann die Wände gesalbt, wie einst das Haupt und die Glieder Aarons und seiner Söhne. Eine symbolische Synthese kommt zum Ausdruck, denn im neuen Testament ist der Tempel Gottes zugleich ein Körper. “Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten!” Mit diesen Worten erklärte Jesus rätselhaft, wer er war. Die Aussage blieb für seine Gegner das entscheidende Skandalon. Für uns aber ist sie ein Leitstern.
Der Laacher Münster wurde vor 865 Jahren geweiht um der Feier des Opfers unserer Erlösung einen würdigen Raum zu geben; damit der Leib des Herrn in diesem Hause hause, damit die Gläubigen hier, durch Teilnahme am göttlichen Mysterium, zu einem Leib werden. Dazu sind wir berufen, genauso heute, in dieser Zeit der vielen Ängste und Ärgernisse, wie zur Zeit Fulberts. Leib zu sein heisst, ein Haupt zu haben. Wir lasen es im Lektionar am Sonntag, in einem schönen, wesentlichen Abschnitt des Epheserbriefes: “Christus ist das Haupt der Kirche; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib.” Deshalb unterordnet sich die Kirche Christus mit Zuversicht, in Dankbarkeit. Nur so wird sie leben und gedeihen, nur so wird sie wahre Freiheit und Fruchtbarkeit kennen. Ein kirchlicher Körper der sich dieser Ordnung entzieht ist wie ein kopfloses Huhn dessen Anblick zugleich komisch und erschütternd ist. Es läuft zwar noch, flattert auch ein bisschen, aber kommt nicht weit, wie auch immer es seinen Weg nennt.
Lernen wir vom Beispiel des Münsters! Seien wir ausharrende, geordnet und hold gestaltete Tempel der göttlichen Gegenwart, Trägerinnen und Träger des Heils. Dadurch wird, durch Gnade, in unserer bloßen Existenz ewiges Leben aufsprudeln, zum Segen für uns und die ganze heilige Kirche. Amen.
Ildefons Herwegen, Der heilige Benedikt: Ein Charakterbild, 4. Auflage (Düsseldorf: Patmos-Verlag, 1951), 175f.